HARTMANN & BRAUN Multavi 2

- Instandsetzung -

Schaltungsprinzip ........ passives Drehspul-Multimeter DC/AC/A
333 Ohm/Volt
Hersteller........................... HARTMANN & BRAUN Frankfurt/M.
Herstellzeitraum .......... ab 1933
Seriennummer ................ 2297751 (1943)
Meßbereiche ............... Volt: 600/300/150/30/6, Ampere: 6/1,5/0,3/0,06/0,015/0,003
Ausstattung ...................... Drehspulinstrument mit Nullpunkt-Korrektur, Kupferoxydul-Meßgleichrichter, Schnellumschaltung U/I-Messung, Skala 0 ... 30 mit Spiegelbogen
Geräteklasse ... 2 (bis 600 V), liegende Messung, Gleich- und Wechselspannung
Abmessungen (BxHxT) ... 180 X 90 x 60 mm
Gewicht ...... ca. 1,1 kg
damaliger Preis 165,-RM

HARTMANN & BRAUN Multavi 2 1943 Innenansicht

Abb. 1 HARTMANN & BRAUN Multavi 2 1943 Innenansicht

Von einem renommierten deutschen Hersteller von Meßgeräten wurde nach dem Multavi I mit diesem Gerät ein Multitalent auf den Markt gebracht, das sowohl Spannungs- als auch Strommessungen in Gleich- und Wechselspannung mit hoher Genauigkeit und Zuverlässigkeit für Jedermann anbot. Für die korrekte Benutzung war die Kenntnis der Gebrauchsanweisung ausreichend. Die Multavi-Reihe erreichte bald den Rang einer Meßgeräte-Referenz. Sieht man sich die Schaltpläne der Radioindustrie bis in die Fünfziger Jahre an, so taucht bei den Spannungs- und Stromangaben häufig der Zusatz "gemessen mit Multavi 2" auf. Entsprechend verbreitet dürfte das Gerät auch in den Servicewerkstätten gewesen sein. Heute erhält man diese inzwischen "vintage" genannten Geräte z.T. sehr günstig aus Werkstatt- und Haushaltsauflösungen in sehr unterschiedlicher Qualität angeboten. Auffallend ist, wie robust diese Geräte gearbeitet sind. Der Materialeinsatz ist opulent, entsprechend ist das Gerät mit ca. 1 kg kein Leichtgewicht, das sich versehentlich an den Strippen vom Tisch ziehen läßt. Alle Komponenten sind verschraubt oder verlötet und mit Ausnahme des Meßwerks, von dem man die Finger lassen sollte, gut zerlegbar.

Erste Durchsicht des Geräts - Befund

Das Gehäuse hat den Postversand äußerlich ohne Mängel überstanden. Außen sind Gebrauchsspuren (Abrieb), das Skalenglas ist ohne Kratzer. Die braune Rückseite hat in der Mitte etwas von der in weiß aufgedruckten Information verloren. Der Umschalter läuft satt, man fühlt zwei Einrastpunkte. Die Klemmbuchsen sind sehr stabil und fast wie neu.

Ein erster Test mit einer Gleichspannungsmessung mit 9V-Batterie im 30V-Bereich zeigt einen hakelnden Zeiger und ca. 10% zu wenig Anzeige. Damit kann man das Gerät bereits als defekt einstufen. Das Hakeln des Zeigers verschwand bei den Testmessungen (Staub?), allerdings ließ sich der Nullpunkt nicht einstellen.

An diesem Punkt muß man sich entscheiden, ob das Gerät ein originales, aber defektes Schaustück bleiben oder auch genauer messen soll. Im letzten Fall sind durch die Revision Bearbeitungsspuren und Reparaturen unvermeidlich. H&B verwendet Kunststoffsiegel an den äußeren Befestigungsschrauben und lieferte 2 zur Reserve mit. Ein intaktes Siegel bedeutet aber nicht, dass das Gerät zuvor noch nie geöffnet wurde; es verdeckt nur die Verschraubung.

Vor Eingriffen am Meßwerk kann man an diesem Punkt nur warnen. Um überhaupt etwas sehen zu können sind Uhrmacherwerkzeuge nötig, außerdem muß dazu das Meßwerk ausgebaut werden. Nicht naiv an der Verstellschraube für das untere Lager drehen, die Achse kann ohne Vorwarnung herausfallen. Die Federspiralen sind sehr empfindlich. Werden sie aus der Bahn geworfen, zeigt das Meßwerk bestenfalls noch Hausnummern an. Um den Regelbereich für den Nullpunkt wiederherzustellen war nur eine minimale Berührung der oberen Spirale an ihrem äußeren Befestigungspunkt notwendig.

Soll bei geöffnetem Gerät die Spannungsmessung überprüft werden, müssen die Leistungswiderstande auf der Stromseite wieder fest angeschraubt sein, die beim Öffnen des Deckels abgeschraubt bzw. gelockert werden mußten, andernfalls werden viel zu hohe Werte angezeigt. Diese Widerstandskaskade wird bei der Spannungsmessung mitbenutzt.

Altersbestimmung

Das Druckdatum der Gebrauchsanweisung gibt einen ersten Hinweis auf das Jahr 1943. Die Einzelstücke aus der langlaufenden Multavi-Produktion sind über sog. Skalenbücher in ihrem Herstelldatum im allgemeinen genau bestimmbar (vgl. VON VAHL, M.). Für die Exemplare aus der Kriegsproduktion gilt das allerdings nicht, da in den entscheidenden Jahren ab 1942 die Seiten oft chaotisch beschrieben oder ganz leer sind. Für den Nummernkreis 2 295 001 bis 2 320 060 existieren in diesen Quellen keine Einträge. Für unsere Zwecke ist aber ausreichend belegt, das das Gerät fast 80 Jahre alt ist. Nach diesem Zeitraum ist die Langzeitstabilität der Komponenten mit einem Fragezeichen zu versehen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Universalmeßgeräte zur kriegswichtigen Produktion gehört haben müssen, sonst wäre die Fertigung unterbrochen worden. In der Tat finden sich in den Wartungshandbüchern der ehem. Luftwaffe Hinweise auf den Einsatz des Multavi II, etwa bei der Kalibrierung von Visieren oder der Einstellung von Zeitzündern. Das vorliegende Gerät enthält keinerlei Markierungen oder ähnliches, das auf einen ursprünglich militärischen Einsatz hinweisen könnte.
Auffälligkeiten zeigen sich in der Druckqualität der Skalen. Unter der Lupe ist die schwarze Schrift nicht vollständig randscharf. Einzelne Sprenkel deuten auf eine abgenutzte Siebdruckmatrix hin. Den Bauteilen ist ein aus der Kriegsproduktion bedingter Mangel nicht anzusehen.

Abweichungen im Meßergebnis

Im Vergleich zu einer Referenz (Metex DVM 818B) wurde die von Multavi 2 angezeigte Spannung über die Messbereiche aufgezeichnet. Um genau zu prüfen, wie es abweicht, wurden alle Meßbereiche jeweils bis zum Vollausschlag des Meßbereiches mit variablen Gleich- und Wechselspannungen bis 240 V/50 Hz beaufschlagt und mit der Anzeige eines DVMs verglichen (METEX 818B). Der Kurvenverlauf zeigt in den Meßbereichen unterschiedlich starke Abweichungen vom Soll einschließlich deutlicher Unlinearitäten. Die Diagramme geben die Abweichungen der Anzeige wieder.

HARTMANN & BRAUN Multavi 2 Diagramm DC

Abb. 2 Meßergebnis über die Gleichspannungsbereiche 30 V bis 300 V

Analog wurden die Wechselstrombereiche überprüft:HARTMANN & BRAUN Multavi 2 Diagramm AC

Abb. 3 Meßergebnis über die Wechselspannungsbereiche 30 V bis 300 V


In beiden Meßarten zeigten sich mehr oder weniger große systematische Abweichungen über alle Bereiche und ein zusätzlicher nichtlinearer Verlauf in einzelnen Bereichen. Abweichungen von 2% bis max. 25% machen dieses einstige Präzisionsgerät zu einem "Schätzeisen". Das Diagramm läßt auf unterschiedliche Ursachen schließen, der Zustand des Meßwerks und des Meßgleichrichters selbst kann von vornherein nicht ausgeschlossen werden.

Maßhaltigkeit der engtolerierten Bauteile

Die Meßwiderstände wurden alle durchgemessen. Einzelne Abweichungen > 1% konnten sicher ermittelt werden. Die Mehrzahl war aber maßhaltig oder an der Toleranzgrenze.

Nr.Soll Ist
R8 1,70 kOhm 1,706 kOhm
R7 8,0 kOhm 8,0 kOhm
R6 40,0 kOhm 39,9 kOhm
R5 50,0 kOhm 50,2 kOhm
R3 100,0 kOhm 101,1 kOhm
R11 3,24 Ohm 3,4 Ohm
R12 16,22 Ohm 16,25 Ohm
R13 60,82 Ohm 57,0 Ohm
R14 324,37 Ohm 3,6 Ohm
R3, R5, R11, R13 können für Abweichungen in den betreffenden Meßbereichen mitverantwortlich sein, nicht aber für den systematischen Fehler, dass generell etwa 8% zuwenig angezeigt werden.

Schaltung

In der Gebrauchsanweisung findet sich ein Abdruck des Schaltplans für Multavi IIHARTMANN & BRAUN Multavi 2 Schaltplan

Abb. 4 Original-Schaltplan Multavi II (1943)

Er ist identisch mit dem bei Ersterscheinen 1933 herausgegebenen Plan.

Abweichungen vom Schaltplan

Das Nachvollziehen des Schaltplans stellte sich als unerwartet schwierig heraus. Zunächst muss man erkennen, dass die meisten Meßwiderstände tradionell als Spulen gewickelt wurden und keine Identifikationsmerkmale besitzen. Einige Spulenkörper enthalten bis zu 6 Widerstände, deren Zuordnung nicht leicht fällt. Bei den großen Porzellan-Widerständen 50 und 100 K sind bei einigen Geräten Korrekturwiderstände (Conradty) vorgeschaltet, bei anderen Exemplaren fehlen diese (Belegbeispiele: 94603, 2109771).

Bei dem zentral im Instrument untergebrachten Spulenkörper unter der Skala ist die Mittelanzapfung der Wicklung kaum erkennbar, die Zuleitung unter dem Meßwerk durchgeführt und Anschlüsse sind verdeckt. Diese Widerstände sind nicht im Schaltplan. Die Anschlüsse am Umschalter müssen seziert werden, damit man ihre Verbindungen erkennt. Bei der Nachverfolgung der Verdrahtung für die Wechselspannungsmessung fällt dann auf, daß keine Graetz-Brücke realisiert ist, obwohl der G 1841/1 von Siemens dafür ausgelegt ist. Das zweite Bein für den Wechselspannungseingang ist nicht kontaktiert (Zur Inspektion der Unterseite Schraube etwas lockern).

Die ermittelte innere Verdrahtung ist in Abbildung 6 wiedergegeben.

HARTMANN & BRAUN Multavi 2 Verdrahtung

Abb. 6 HARTMANN & BRAUN Multavi 2 Verdrahtung

Der tatsächlich vorliegende Schaltplan ist in Abb. 7 gezeigt.

HARTMANN & BRAUN Multavi 2 Schaltplan

Abb. 7 HARTMANN & BRAUN Multavi 2 - korrigierter Schaltplan

Mit dem angepaßten Schaltplan und der Lokalisierung der Komponenten ist nun eine Anzeigekorrektur möglich.

6. Inbetriebnahme

Vereinzelt verschlechterten sich die Lötverbindungen, sobald Drähte bei der Inspektion bewegt oder gebogen wurden, das verwendete Lot ist recht weich. Die Kontakte, z.B. am Umschalter sollten in diesem Fall unbedingt nachgelötet werden.
Bei offenem Gerät sind Gleich- und Wechselspannungsmessungen für den Abgleich der Anzeige mit der gebotenen Vorsicht vorzunehmen!

Korrektur der systematischen Abweichungen

Abgleichelemente

Abgleichelemente im eigentlichen Sinn hat das Gerät nicht. Zur Korrektur der festgestellten Abweichungen kommen die Vorwiderstände für die beiden Spannungsarten in Frage. Wenn man vom Original abweichen will, lassen sich Wicklungen mit zu hoch gewordenem Gesamtwiderstand entsprechend abwickeln und somit sehr genau anpassen. Andernfalls kann man auch mit einem Parallelwiderstand zum Ziel kommen.
Der Meßgleichrichter wurde mit Wechselspannungen geprüft und erwies sich als intakt.

Korrektur der Anzeige von Gleichspannungen und -strömen

Die zu niedrige Anzeige zieht sich durch alle Gleichspannungs- bzw. Gleichstrommeßbereiche. Sie konnte bei diesem Gerät durch einen Parallelwiderstand zum Vorwiderstand R2 behoben werden. R2 befindet sich auf dem Spulenkörper rechts neben dem Gleichrichter. Die Spulenenden befinden sich am Umschalter für AC/DC, vgl. Abb. 6. Mit einem Widerstand von 1,65 K parallel zu R2 liegt die Anzeige in allen Gleichspannungs-Bereichen sehr nahe am Soll. Er kann aus 2 Werten zusammengestellt werden und findet bequem Platz oberhalb der Kontaktlaschen des Umschalters.

Korrektur der Anzeige von Wechselspannungen und -strömen

Diese vorige Korrektur wirkt sich nicht auf die Wechselspannungsbereiche aus. Statt R2 wird R4 bei Wechselspannungsmessungen als Vorwiderstand in den Meßkreis geschaltet. Es handelt sich um die Spule oben rechts neben dem Meßwerk. Um an beide Spulenenden zu kommen, muß der Spulenkörper abgeschraubt werden. Der Wert von R4 liegt bei diesem Gerät bei gemessenen 513 Ohm. Mit einem parallel zu R4 liegenden Potentiometer 2,2K läßt sich der benötigte shunt genau ermitteln: 267 Ohm. Den gefundenen Wert kontrolliert man in allen Meßbereichen nach, bevor man anschließend eine Serienschaltung passender Widerstände zu genau diesem Wert zusammenbaut und ins Gerät einlötet. Der Platz an dieser Stelle ist knapp, gut isolieren. Die geänderten Vorwiderstände sind auch für die Strommeßbereiche geschaltet und sollten auch durch Strommessungen nachkontrolliert werden.

Korrektur der Abweichungen in den einzelnen Meßbereichen

Abweichungen an der Toleranzgrenze bei R3 können durch Kurzschliessen des Ausgleichswiderstands (800 Ohm) behoben werden. Bei R10 hilft bereits ein um ca 20 mm verkürztes Neuanlöten um Strommessungen in diesem Meßbereich zu korrigieren. Die übrigen Abweichungen liegen im Toleranzbereich und können unverändert belassen werden. Hilfreich für spätere Prüfungen ist die Anlage eines Meßprotokolls.

Links und Quellen

Multavi II für Gleich-und Wechselstrom. In: Radio-Amateur, 10. Jg. 1933, H. 11
H & B Multavi II Universal-Drehspulgerät für Gleich-und Wechselstrom. Gebrauchsanweisung B 11-2 vom März 1943
Von Vahl, Marc: Hartmann & Braun Skalenbücher und Listen mit Produktionsdatum und Jahrgang. Marc's Projekte Quelle: Camille Bauer
CROWAVE: Multavi II
ATM Archiv für technisches Messen: Kupferoxydul-Gleichrichter für Meßzwecke in: 1937, Z 52-2