David Roentgen: Beistelltisch (um 1765)

Original:Kunstgewerbemuseum Frankfurt Inventarnummer 7373

u.a. beschrieben und abgebildet in:

  • BANGERT, Albrecht 1978, S. 56-58, Abb. 43, 46
  • FABIAN, Dietrich 1996, S. 79, Abb. 152
  • STRATMANN-DÖHLER, Rosemarie 1998, S. 91
  • ZINNKANN, Heidrun 2005, S. 58, Abb. 4a, b

Ausstellungen: Museum für angewandte Kunst, Frankfurt

Herkunft und Datierung

In der Literatur wird das Objekt unterschiedlich datiert: Bangert: um 1770, Fabian: 1767, neuerdings Zinnkann: um 1765

Erworben von der Kessler-Kolligs-Stiftung und seit 1929 im Besitz des Museums für angewandte Kunst (vgl. Zinnkann, 2005).

Originalmaße (HBT):

700 x 360 x 295 [mm]

Ausführung

Die überschlanken, nahtlos in die Zarge übergehenden Beine unterstreichen den Eindruck von einem gratiösen Tischchen, dessen Gebrauch sich stets im Rahmen behutsamen Umgangs bewegen muß. Die Zwischenablage hebt nicht nur den praktischen Nutzen als Beistell- oder Arbeitstischchen, sondern verschafft der Konstruktion auch entscheidend mehr Stabilität. Sowohl in der Ausführung der Zarge als auch der Platten wurde eine gerade Linienführung konsequent vermieden. Die vierkantigen Beine sind in Wechselschwüngen verjüngt, die dreidimensional nach innen und außen gewölbten Zargen laufen unten in einem heruntergezogenen Mittelstück aus (der aus dem Queen Anne Stil bekannte kettle-bottom wurde von Abraham Roentgen eingeführt und bei den Roentgen häufig für Tische und Kommoden verwendet). Auch die Plattenränder sind dem Verlauf der Zarge angepaßt und leicht nach außen gebaucht. Eine Schublade mit allseitigem Lippenrand und Ringgriff ist an der rechten Schmalseite eingearbeitet. An den Fußenden sind Geissfuss-Bronzen angebracht.

Die Platte schmückt eine Blumen-und Bänder-Marketerie: Ein gemischter Blumenstrauss von unterschiedlichen Blüten in verschiedenem Blühstadium ist mit Bändern zusammengebunden und wirkt scheinbar an den hinteren Ecken der Platte "aufgehängt". Die losen Schleifenenden fallen vielfach gewunden herab. Die Bänder winden sich zwanglos über die äußere Umrandung aus dunkleren Holz, was die räumliche Tiefe verstärkt. Johannes Juncker (1730-97), wiedischer Hofmaler und Portraitist Abraham Roentgens, lieferte Vorlagen zu Chinoiserie-Szenen und Blumen-und Bänder-Motiven wie die dieses Tischchens. Vom Stempelschneider Elie Gervais (1721 - 91) ließ Roentgen dazu die feiner ausgearbeiteten 1:1-Vorlageblätter für die Marketerie en camaieu (auch Chiaroscuro) anfertigen. Diese Technik lässt sich an der Gestaltung des Schattens bei den Bändern besonders gut erkennen. Die ehemals kräftigen, aber nicht lichtechten Farbtöne (rot, grün) sind fast vollständig ausgeblichen. Der Korpus ist in Nußbaumholz ausgeführt, einheimische Obstbaumhölzer wurden für die Marketerie verwendet. Die Außenkante der Beine ist gefast und mit dunklerem Mirabellen-Kernholz belegt.

Kopie (1984)

Maße

710 x 440 x 380 [mm]

Ausführung

Die Kopie weicht in den Abmessungen, einigen konstruktiven Merkmalen, den verwendeten Hölzern und auch im farblichen Erscheinungsbild vom Original ab. Mit einer Kantenlänge von 44 x 38 cm hat die Abschlußplatte eine deutlich vergrößerte Fläche und der Tisch wirkt in der Vorderansicht breiter, da die Gesamthöhe nahezu unverändert übernommen ist. Für die Furnierung des Korpus wurde Ahorn verwendet. Zarge und Beine sind vertikal in einem hellen naturbelassenem Riegelahorn furniert, die Platten sind in einem dunkleren Vogelaugenahorn ausgeführt. Der Farbton ist dadurch bei der Kopie viel heller als beim Original. Durch Sonnenlicht ist im Verlauf von etwa 30 Jahren eine Nachdunklung zu einem hellgelben Honigton erfolgt. Alle Plattenrandprofile und die Abfasungen sind in massivem Mirabellen-Kernholz ausgeführt. Randstreifen um die Platten sind aus Rüster- bzw. Ahornmaserfurnieren.

Anders als beim Original verfügt die Kopie über ein verdeckt unter der Platte angeordnetes, flaches Fach mit 4 Unterteilungen, das über eine geheime Zuhaltung an der Zargeninnenseite zugänglich ist. Wird diese betätigt, kann die Platte hochgeklappt werden. Da unter diesem Fach die Schublade angeordnet ist, muß die Zarge bedeutend höher ausfallen. Die Platte wird von einem einzigen, breiten Scharnier gehalten. Die Schublade fügt sich bündig in die Fläche der Zarge ein, enthält keinen Lippenrand und ist abschließbar. Diese Konstruktion ist nicht unüblich. Vorbild für diese Ausführung ist ein Tischchen von J. F. und H. W. Spindler (1765-68, Potsdam).

Der obere Zargenabschluß ist in diagonal ausgerichteten Mirabellen-Kernholzstreifen ausgeführt. Durch rotbraune und gelbliche Farbtöne in Längsrichtung dieser Streifen entsteht ein wiederkehrender Farbwechsel. In gleicher Weise sind die Abfasungen in diesem Material querfurniert.

Die Zeichnung für die Blumenmarketerie der Platte folgt weitgehend dem Original. In der Ausführung der Kopie wurde eine Grundplatte aus Vogelaugenahorn gewählt, die Außenumrandung ist aus Rüstermaserfurnier, das Massivprofil aus Mirabellen-Kernholz. Als Marketeriehölzer werden verschiedene Nußbaumhölzer, Ahornmaser, Eibe und Birnbaum verwendet, in ihrem Naturton belassen und mit hellem Schellack poliert. Die Naturfarben der hellen Hölzer sind nachgedunkelt und einander angeglichen.

Der Entwurf für die Blütenmarketerie an der Vorderzarge stammt vom Schubladenvorderstück einer Kommode aus 1770. Die Auswahl der eingelegten Hölzer entspricht denen der Platte.

Risszeichnungen

In der Draufsicht sind die Anordnung der Beschläge sowie die Fachaufteilung, die Schublade und deren Laufschienen besser erkennbar.

Literatur

  • BANGERT, Albrecht: Kleinmöbel aus drei Jahrhunderten. München: Kayser 1978
  • ZINNKANN, Heidrun: Entfaltung - Roentgenmöbel aus dem Bestand. Frankfurt 2005 (Museum für angewandte Kunst, Frankfurt)
  • FABIAN, Dietrich: Abraham und David Roentgen. Das noch aufgefundene Gesamtwerk ihrer Möbel- und Uhrenkunst in Verbindung mit der Uhrmacherfamilie Kinzing in Neuwied. Leben und Werk, Werkverzeichnis der Werke, Quellen. Internationale Akademie für Kulturwissenschaften Bd. Neustadt a.d. Saale, ( 422 S. mit 1391 teils farb. Abb.)
  • SCHICK, Afra: Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler. Die Möbelaufträge Friedrichs des Großen für das Neue Palais. 15.9.2009
  • STRATMANN-DÖHLER, Rosemarie, Mechanische Wunder. Roentgenmöbel des 18. Jahrhunderts in Baden und Württemberg. Katalog des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, 1998