Blumentischchen im Stil der Art Nouveau (2013)
Vorbilder
Im Art Nouveau Stil wurden die Möbeltypen vorangegangener Epochen in Form und Ausschmückung neu interpretiert. Dies gilt auch für den Typ des Postaments oder Blumentischs (Jardinière), die beide zum Inventar einer bürgerlichen Wohnung des 19. Jahrhunderts gehörten, ihren Ursprung aber im höfischen Barock und Rokoko haben.
Beide Typen sind reine Ziermöbel, deren Funktion einzig darin bestand, einen repräsentativen Blickfang zu schaffen, sei es für eine Büste, Vase oder eine dekorative Hängepflanze, auch für die Präsentation von Visitenkarten am Eingang konnte das Möbelchen dienen. Ihnen gemeinsam sind hohe Beine für die nötige Betrachtungshöhe (meist um 1 m) und eine kleine Tischfläche. Wegen der Standsicherheit von Postamenten für Vasen und Plastiken wurde statt Holz auch Stein verwendet.
Beim Blumentisch, wo der Kontakt mit Wasser unvermeidlich ist, fand neben Holz oft auch Eisen Verwendung, insbesondere bei breiteren Tischen für die Aufstellung einer in Töpfen gehaltenen Pflanzengruppe. Eine solche Jardinière hat typischerweise eine über der Platte liegende, als Gitterwerk ausgebildete Zarge oder eine eingelassene Wanne aus Blech. Mit dem Art Nouveau Stil wurde auch der Tafelaufsatz einer festlichen Tafel neu interpretiert und ebenfalls als Jardinière bezeichnet (hier als Behälter für frische Schnittblumen).
Ausführung
Das hochbeinige Tischchen ist aus Eichen-Vollholz gearbeitet. Die zum Fußende geschwungenen und allseits verjüngt gehobelten Beine sind in einem Zug ausgeschnitten und an der Vorderkante griffig gerundet, die schlichten Zargen und Traversen sind aus demselben Brett gesägt, das einem alten Massivholzmöbel der 50er Jahre entnommen ist. Die Qualität des einst im Radialschnitt (Spiegelschnitt) gesägten Holzes ist durch lange Lagerung und Nutzung so gut, dass ein Schliff der handgehobelten Flächen kaum mehr nötig ist. Die ausgeschnittenen Beine sind ohne Verzug. Über die ganze Brettlänge verteilen sich die Markstrahlen ("Spiegel") gleichmäßig, was dem gesamten Möbel einen einheitlichen, lebendigen Ausdruck verleiht.
Beim Entwurf sind Anregungen aus dem französischen Art Nouveau Stil um 1895-1900 übernommen worden. Das florale Schnitzwerk und die Marketerie folgen ähnlichen Entwürfen der Glas- und Möbeldesigner Émile Gallé und Louis Majorelle, beide namhafte Vertreter der École de Nancy.
Die obere Platte ist mit Kastanienblatt-Einlagen geziert. An einer Etagère von Gallé findet sich dieses Dekor wieder. Der Plattenrahmen ist aus altem, aber helleren Eichenholz gefräst. Das mehrfach geschwungene Profil lehnt sich ebenfalls an Art Nouveau Vorlagen an. Die dünne Platte ist mit einem gleichdicken Furnier gegenfurniert. Der einfach ausgeführte Zwischenboden dient der notwendigen Stabilisierung der fragilen Tischbeine. An die Vollholzplatte sind nach innen geschwungene Randprofile geleimt, die Beine sind mit einfachen Zapfen fest verbunden.
Originalmaße (HBT):
525 x 375 x 30 mm (mit Griffen)
Konstruktion
Rahmen/Stollenbauweise mit um 45° versetzt angesetzten, mittels Traversen verbundenen Beinen. Beine, Rahmen, Traversen aus 22 mm Eichenvollholz, Platten aus ca 10 mm dicken Eichenholztäfelchen, die geschwungenen Plattenrahmen auf Schablone aus ca 22 mm starken Eichenholzkanteln gefräst.
Marketerie
Die Schnittlinien sind auf den Adern des Kastanienblatts ausgeführt, jedes Blattsegment ist einzeln aus in Herbstfarben abgestimmten Sägefurnieren ausgeschnitten (verwendet wurde Kirschbaum-Astholz, Nußbaum, Ahorn- und Rüstermaser, Zwetschgen-Kernholz).
Schnitzwerk
Dem Zweck des Tischchens angemessen, bildet ein florales Muster den unteren Rahmenabschluß. Bei dem freien, asymmetrischen Entwurf wurden Ranken der Glyzine nachempfunden und in durchbrochener Reliefschnitzerei ausgeführt.
Risszeichnungen
Literatur
- HAKENJOS, Bernd: Emile Gallé, Keramik, Glas und Möbel des Art Nouveau. München, Hirmer Verlag, Neuaufl. 2012 durch Sigrid Barten. 2 Bde.: Textband und Katalogband. (Diss. Köln 1973) ISBN 377745611X
- GARNER, Philippe: Gallé. Paris, Flammarion 1977. Deutsche Ausgabe: München, Prestel 1979
- OTTOMEYER, H. / DOBLER, U.: Besprechung Louis Majorelle Truhe