Bitburgisch als „Erstsprache“

Wer mit dem Bitburgischen als Muttersprache aufgewachsen ist, erlebte das Erlernen der deutschen Schrift- und Hochsprache mitunter wie den Erwerb einer Zweitsprache. Je nach kommunikativer Domäne schalten Denken, Sprechen und Schreiben zwischen Platt und Hochdeutsch wie zwischen zwei eigenständigen Sprachsystemen um. Für viele, die in Bitburg aufgewachsen sind und die es wegen Ausbildung und Beruf in ferne Regionen verschlagen hat, verbindet sich mit der einst erlernten Mundart ein emotionaler Bezug zu Heimat. Aber deren „Urlaute“, der aktive Wortschatz, Grammatik und Redewendungen verblassen in der bloßen Erinnerung, denn wie alle Mundarten lebt das Bitburgische vom gesprochenen Wort.

Ohne den Gebrauch wird die Mundart schnell zur toten Sprache. Der Sprachwandel als Rückgang des gesprochenen Dialekts geht auch an den Westeifeler Mundarten nicht vorbei. Dieser Wandel mag beklagenswert sein, denn es geht ein Stück kultureller Identität verloren – aufzuhalten wird er wohl trotz aller Bemühungen zur Förderung der Mundarten1 nicht sein. Mit dem Schwinden der Mundart kommt heute vermehrt ihr Wert ins Bewusstsein. Sie wird nicht mehr vornehmlich als defizitärer Konkurrent der Hochsprache gesehen, sondern soll einen Platz neben der Hochsprache in einem Konzept der Mehrsprachigkeit erhalten, das bereits im schulischen Lernen gefördert werden kann.

Bitburgisch als Ortsdialekt

Nun ist in der Dialektologie einiges zu den Charakteristika der westmoselfränkischen Mundarten im Allgemeinen erarbeitet worden (siehe u.a. den unlängst erschienen Beitrag von Georg Drenda2). Ein Beitrag speziell zum Wortschatz des Bitburger Ortsdialekts3 ist jedoch nicht bekannt. Dieses kleine Wörterbüchlein - es umfasst nur etwa 2.800 Wörter - soll dazu einen Anfang machen. Der eingeborene, versierte Sprecher wird natürlich kein Wörterbuch zum Nachschlagen brauchen. Aber die Zahl derer, die den Klang dieser Mundart zwar kennen, sie aber kaum verstehen, geschweige denn selbst ständig und „sortenrein“ gebrauchen, wird die kleine Gruppe der authentischen Sprecher des Bitburgischen weit übersteigen. Für diese größere Gruppe ist das Wörterbuch gemacht. Neben der nüchternen Funktion eines Nachschlagewerks bietet dieses Wörterbuch dem Leser hoffentlich auch die Gelegenheit zu einer mitunter amüsanten Lektüre, denn das Bitburgische strotzt von handfestem Ausdruck und anschaulich-bildhafter Sprache.

Schwerpunkte der Wörtersammlung

Der Wörterkorpus ist in der Richtung Bitburgisch→Hochsprache aufgebaut, weil in erster Linie das Verständnis des gesprochenen Worts unterstützt werden soll. Jedes Wort hat den Aufbau:

Etymologie

Die Wortherkunft4 zeigt in der Sprache die Spuren des historischen und politischen Wandels. Für die Betrachtung des Bitburgischen Dialekts ist wesentlich, dass die Stadt Bitburg seit dem 13. Jahrhundert luxemburgisch gewesen ist, unter der Herrschaft unterschiedlicher Hegemonialmächte, vor allem der österreichischen und spanischen Linien der Habsburger5. Der Beitrag des Luxemburgischen und Niederländischen zum Bitburgischen ist um fassend. Beginnend mit der bürgerlichen Revolution in Frankreich und der Neuordnung der politischen Verwaltung Ende des 18. Jahrhunderts setzte auch der Einfluss des Französischen in verschiedene öffentliche Bereiche ein und prägte die Sprachwelt von lokaler Verwaltung, Politik und öffentlichem Leben. Die eindeutig aus dem Französischen entlehnten Wörter wirken aber heute oft obsolet, ihr Gebrauch ist – ganz anders als im Luxemburgischen – eher abnehmend.

Ab 1815, mit der Durchführung der Beschlüsse des Wiener Kongresses, fiel Bitburg mit anderen Gebiets teilen rechts von Sauer und Our zu Preußen. Ab diesem Zeitpunkt ersetzte Deutsch das Französische als Sprache der Verwaltung, Schule und des öffentlichen Lebens in Wort und Schrift. Die Mundart trat als gesprochene lokale Sprache in Konkurrenz zum offiziellen Deutsch, dem zunehmend sprachliche Neubildungen entlehnt wurden. Wörter, die direkt aus dem hochdeutschen Vokabular entlehnt sind und nur wenige Unterschiede in der Lautung aufweisen, sind in diese Sammlung bewusst nicht aufgenommen worden. Ebenso fehlen aus diesem Grund sprachliche Neuschöpfungen aus dem Hochdeutschen und Englischen der Gegenwart, wie sie zahlreich aus den Bereichen der Technologien und sozialen Medien Einzug in den heute gesprochenen Dialekt gehalten haben.

Idiomatik (Gebrauchskontext)

Die vorwiegenden Kategorien, Metaphern und Bilder, aus denen die Wörter stammen, sind die Bereiche Natur, Arbeit (Ackerbau 6, Viehzucht und Handwerk), Religion und Familie. Das vorwiegende Muster ist die vertraute Kommunikation („dou“ statt „dier“) mit großer Nähe der Sprecher. Aus diesem vertrauten Kontext stammt ein großer Teil der idiomatischen Wendungen, die in die Kategorie der „starkdeutschen“ Kraftsprache eingereiht werden können: Häufig kommt das „Platt“ schonungslos offen daher, überzeichnet in drastischer Bildsprache, bewegt sich kraftmeierisch im Vulgären und zuweilen am Rande zum Blasphemischen im Schimpfen, Verunglimpfen und Fluchen. Nicht zuletzt weist sich der aktive Sprecher über die Mundart und speziell über seinen Ortsdialekt als Bitburger aus: der Dialekt hat damit sowohl eine identitätsstiftende als auch ausgrenzende soziale Funktion.

Phonetik

Anders als im Lëtzebuergeschen, dessen korrekte Schreibung zu einer nationalen Bildungsaufgabe gemacht ist7, gibt es für das Bitburgische keinerlei Bestrebung für eine definierte Schreibung, da es ohnehin als Schriftsprache ohne Bedeutung ist. Die hier verwendete Schreibvariante nähert sich daher der Lautung an und in Fällen, wo eine besondere phonetische Differenzierung notwendig ist, soll die Lautschrift8 weitere Unterstützung bieten. Für das Bitburgische typisch sind die Doppelvokale, die in der deutschen Hochsprache nicht, wohl aber z.T. im Niederländischen vorkommen. Ejsch (ich) klingt wie das niederländische Ijssel im Anlaut [Ei]. Auch die langgedehnten [e:] und [o:] klingen niederländisch, wenn der Bitburger von „gleewen“ (glauben), Knoof (Knopf) oder „Koop“, (Kopf) spricht, während letzteres im Umland „Kapp“ gesprochen wird. Eben so typisch sind die gedehnten Umlaute ä: („Schläk“). Das ä kommt aber auch in kombinierter Form als Doppellaut äa vor: In Gärwel (Giebel), Gehäadasches (Tumult) ist das ä mit einem kurzen a verschliffen. Genaues Hinhören erfordern auch die ie- und ea-Laute: In der Bierstadt spricht man von Bier (Bier), nicht etwa von Biar (Birne) oder gar Bier (Zuchteber). Diese Beispiele sollen nur eine Kostprobe geben für die zuweilen diffizile Lautung. Nur im Bitburgischen findet sich die „kt“-Endung nach Vokalen, u.a. in den folgenden Wörtern: „häkt“ (heute, Umland: heit), „Läkt“, (Leute bzw. läutet, Um land: Leit), rukt (rot, Umland: rutt), Duktekoop (Totenkopf, Umland: Duddekapp).

Grammatik

Ganz ohne grammatikalische Hinweise kommt auch dieses Wörterbuch nicht aus. Analog zum Hochdeutschen gibt es auch im Bitburgischen Unregelmäßigkeiten in den Formen häufig genutzter Verben. Für das Sprachverständnis reicht deshalb die Angabe des Infinitivs bei Verben nicht aus. Am Beispiel der Stammform gen (Infinitiv sowohl für geben als auch für werden) sei dies verdeutlicht: Wer hätte gedacht, dass get, guwen, gäf Konjugationen dieses Verbs sind? Auch in dem Satz Ejsch giev et jo gären steckt dieses Verb, diesmal im Konjunktiv. Zu den häufig genutzten Verben und Hilfsverben sind deshalb die Konjugationen nach Person, Tempi und Modi mit angegeben. Bei Nomen wird ebenso der unregelmäßig gebildete Plural aufgeführt.

Diese linguistischen Begriffe sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen: Es handelt sich hier nicht um einen wissenschaftlichen Beitrag, sondern vielmehr um eine empirische Sammlung.

Wie kam das Wörterbüchlein zustande? Im Jahr 2005 habe ich meinen (eher dürftigen) „Restwortschatz“ aus der Erinnerung gesammelt und nach Bedeutung und Wortherkunft gesucht. Der allergrößte Teil des aufgeschriebenen Vokabulars ist aber von meinem Vater Karl Monshausen im Zeitraum von 2006 bis 2010 zusammengetragen worden. Er verstarb hochbetagt im September 2013. Als geborener und alteingesessener Bitburger verfügte er noch über die selten gewordene Kompetenz, Bitburgische Lautung von den Dialekten der umliegenden Gemeinden sicher zu unterscheiden. Ohne seinen substantiellen Beitrag wäre die Veröffentlichung nicht zustande gekommen.

Eine Sammlung dieser Art wird nie mals fertig und kann nicht ohne Lücken, Fehler und Missdeutungen sein. Zahlreiche Ergänzungen, Anregungen und Korrekturen sind seit Erscheinen der Druckversion im Heft 86 des Geschichtlichen Arbeitskreises Bitburg e.V. im Jahr 2012 eingegangen. Sie sind in die vorliegende erweiterte und korrigierte OnlineVersion 5.3 soweit wie möglich aufgenommen worden. Für weiteres Feedback sind wir nach wie vor sehr dankbar.

Anmerkungen

1 Siehe u.a.: Beschluss des Bayerischen Landtags vom 15.12.2009 betreffend Mundartförderung in Kindertagesstätte und Schule (LT-Drs.16/3008)
2 Drenda, Georg: Zur Dialektalität im Moselfränkischen, in: Beiträge zur Geschichte des Bitburger Landes, Bitburg 2012, H. 83, S. 22-35
3 Siehe u.a.: Rheinisches Wörterbuch, hgg. v. Josef Müller et al, Berlin 1928-1971; digitalisiert unter: www.woerterbuchnetz.de, Universität Trier, 2004 - 2011
4 Etymologische Verweise nach R. Köster et al.: Lexikon der deutschen Sprache, Frankfurt/Berlin 1969
5 Siehe u.a. Meyers, Joseph: Geschichte Luxemburgs; Luxembourg 1969: Editions P. Bruck
6 Siehe u.a.im Anhang „Leiterwagen“ und „Pferdegeschirr“
7 Siehe u.a. “Loi du 24 février 1984 sur le régime des langues“ in: Journal Officiel du Grand-Duché de Luxembourg, 1984; zur Einordnung des Luxemburgischen in die mehrsprachige Bildung: Ministère de L’Éducation nationale:«Bildungsstandards Sprachen », Luxembourg, 2008; Wortbedeutungen aus dem Luxemburgischen nach LUXDICO Hg.: Welschbillig/Schanen/Lulling, 2008
8 Verwendet wurden phonetische Zeichen nach IPA, siehe „Aussprachezeichen“.